Die Reisebilder Alfred Lehmanns
 
Alfred Lehmann reist gerne. Er begleitet unzählige Kunstexkursionen in die Metropolen Europas und beginnt in den 50er Jahren auch, seine praktische Malertätigkeit mehr und mehr ins Ausland zu verlagern: Der Künstler Lehmann verliert sein Herz ans Mittelmeer.
Am Anfang steht Mallorca. 1956 reist der Maler von Paris auf die Baleareninsel und findet an deren Westküste faszinierende Landschaftsmotive. Es folgen Reisen nach Italien – insbesondere Vietri sul Mare nahe Salerno -, auf die Kanaren, wieder nach Mallorca und nach Jugoslawien.
Als Zeitpunkt für seine Reisen wählt Alfred Lehmann in der Regel den Frühherbst. Denn vor allem das Licht ist es, das Lehmann immer wieder an die idyllischen Küsten des Mittelmeerraums lockt – ein Licht, das gerade in dieser Jahreszeit sämtliche Naturphänomene durchdringt und "gestalterisch" eingreift in die Welt.
Die ständig neuen Anmutungen, die durch den Wechsel der Tageszeiten entstehen, ziehen Lehmann in ihren Bann – wie auch schon sein großes Vorbild Cézanne und unzählige andere Künstler vor ihm. Gegen die Lebendigkeit der lichtdurchfluteten südlichen Szenerie erscheint dem Maler das Grün nördlicher Länder eintönig, fast langweilig.
Alle Reisebilder Lehmanns geben – ganz im Sinne traditioneller Freilichtmalerei – reale Landschaften wieder. Die Standorte, die der Künstler beim Malen einnimmt, sind sorgfältig ausgewählt. Meist platziert sich Lehmann etwas oberhalb des Motivs und beginnt dann – ohne vorbereitende Skizzen – direkt auf der Leinwand zu arbeiten. Land, Meer, Himmel: die Grundelemente der Welt werden zu durchdachten Kompositionen zusammengefügt.
Auch bei seinen Reisebildern interessiert sich Lehmann vor allem für das Zeitlose. Lehmann sucht sich abgelegene Orte zum Malen. Natur spielt die zentrale Rolle – wenn Häuser auftauchen, sollen sie vor allem als formaler Gegenpart zur Natur fungieren, um die Spannung im Bild zu erhöhen. Exakte Wiedergabe von Details? Lehmanns Anliegen ist ein ganz anderes! Was ihn fasziniert, sind die Farben, die Formen, die übergreifenden Strukturen, die Gesamtwirkung. Der Maler betrachtet die Natur und macht sich sein eigenes Bild von der Wirklichkeit.
"Durch die Gestaltung, durch den Stil wird die Welt als sichtbare Welt groß und teilt sich dem Betrachter in einem Zustand mit, der mehr ist als die banale Wirklichkeit."
Je länger sich Alfred Lehmann auf die Natur des Mittelmeerraums einlässt, desto intensiver wird auch die Art der Darstellung: Im Verlauf der 60er Jahre steigert sich mehr und mehr die Farbigkeit der Bilder. Es entsteht eine eigentümliche Mischung aus Impression, Expression – und Reflexion: Denn Lehmanns Malerei ist stets auch der Versuch, in der Natur das Wirken einer höheren Ordnung zu erkennen.