Die Zeit von 1946 bis 1959
 
Nach Krieg, persönlichen Tragödien und tiefen Depressionen kehrt Alfred Lehmann ins Leben zurück. Es gibt wieder Perspektiven! Und die Kette der privaten Unglücksfälle reißt endlich ab. 1946 lernt der Maler seine spätere Frau Marie-Louise Looks kennen, findet Halt und beginnt, sich mit neuem Elan seiner Kunst – und in verstärktem Maße auch der Kunstphilosophie – zu widmen.
Dabei treten in den späten 40er Jahren neue Tendenzen zu Tage. Der Schwerpunkt Landschaft weicht nach und nach dem Fokus Mensch: Die so genannten "Existenzbilder" – d. h. mehr oder weniger abstrakte Aktgruppen in der Landschaft – beginnen Lehmanns Werk zu dominieren. Wie definiert sich der Mensch nach den Katastrophen der vergangenen Jahre? Wie sieht ihn die Kunst? Und wie prägt ihn die Kunst? Diese Fragen gehen Alfred Lehmann nicht mehr aus dem Kopf.
Kein Wunder, dass er sich vehement in die kunsttheoretischen Auseinandersetzungen seiner Gegenwart einmischt. 1949 übt Lehmann in einem Vortrag fundamentale Kritik an Willi Baumeisters programmatischem Buch "Das Unbekannte in der Kunst". Und 1950 studiert er fasziniert die Aufzeichnungen des "1. Darmstädter Gesprächs", in dem Modernismusverfechter und Modernismuskritiker – teils mit harten Bandagen – über "das Menschenbild in unserer Zeit" diskutieren.
Überragendes künstlerisches Vorbild für Lehmann bleibt bei alledem Cézanne, weil er eine Welt schafft kraft seiner Vorstellung von der Welt – flankiert allerdings von einem zweiten "verehrenswerten Meister": Adolf Hölzel, der schon in den 20er Jahren Lehmanns Lehrer gewesen war, aber erst jetzt, mehr als zwei Jahrzehnte später, erkennbar Bedeutung erlangt.
In den 50er Jahren unternimmt Lehmann vermehrt Reisen in den Mittelmeerraum. Mit weit reichenden Folgen für seine Kunst: Das Spiel des Lichts, das schon die französischen Impressionisten fasziniert hatte, zieht auch den Stuttgarter Maler in seinen Bann: Ein Großteil der Lehmannschen Landschaftsbilder entsteht von nun an unter südlicher Sonne.